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Die Wut, die bleibt

Ein Theaterstück, das unter die Haut gehen kann

In der Theorie von der Katharsis durch das Theater und auch die Literatur geht es um Reinigung. Durch das „Miterleben“ des Geschehens kann sich der Zuschauer von eigenen emotionalen Belastungen undDie Wut, die bleibt - Szene verdrängten Gefühlen reinigen. Im Theaterstück „Die Wut, die bleibt“, werden viele verkrustete Aspekte der Gesellschaft angesprochen. Die Erwartungen an Mütter, die moralischen Ansprüche an Frauen. Ungeschönt bringt die Autorin des Romans „Die Wut, die bleibt“, eine gesellschaftliche Realität ins Licht, die weder Frauen noch Männer gern betrachten. Solidarität unter Frauen, gegenseitige Erwartungen der Geschlechter und das Ungleichgewicht in der Care Arbeit werden beleuchtet. Dabei ist alles, was zu sehen ist, schon lange rational klar. Politik, gesellschaftliche Entscheider und Wirtschaft diskutieren seit Jahren über ein Dilemma, das nicht zu diskutieren, sondern aufzulösen ist. Kann das Publikum diesen Schritt vollziehen? Nur das Individuum selbst kann Gerechtigkeit in der Aufgabenteilung zwischen den Geschlechtern erreichen. Gesetze und Verordnungen bleiben Theorie, ihre praktische Umsetzung scheitert an den Grenzen der Realität.

Die Wut, die bleibt - Szene
DIE WUT, DIE BLEIBT von Mareike Fallwickl | Regie: Jorinde Dröse | Kostüme: Juliane Kalkowski | Choreografie: Suzan Demircan | Salzburger Festspiele 2023 | Koproduktion mit dem Schauspiel Hannover | Premiere 18.8.2023 | FOTO: Kerstin Schomburg

Gesinnung kann nicht übergestülpt oder diktiert werden. Oder doch? In einem Punkt stimmt die Aussage: Der Wille zum fairen und gleichberechtigten Umgang mit Frauen kann den Männern nicht übergestülpt werden. Hier muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. Es wird geredet, diskutiert, debattiert. Und jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem Partner oder Expartner getötet. Auch darüber wird geredet, debattiert, diskutiert. Mareike Fallwickl, Autorin der gleichnamigen Romanvorlage, trifft den Kern. Dabei wird klar, dass der Kern ein schier unendliches Konstrukt aus Gewalt und Klischee, Forderung und Überforderung, Geschichte und Unbeweglichkeit ist. Wie es zu entwirren ist, kann auch Fallwickl nicht erklären.

Vielleicht hilft Wut. Dabei ist die Wut schon lange da. Bisher wird sie erfolgreich tabuisiert. Von den braven Frauen, die sich von Anpassung versprechen, Konflikten zu umgehen. Normale Frauen sind nicht wütend. Sie sind resigniert, traurig, erschöpft, bestenfalls zickig. Meistens sind sie lieb. Und wenn das nicht hilft, springen sie vom Balkon. Dann hat sich die Wut entladen, an der falschen Stelle, ohne Perspektive. Wut wird auch verboten. Von denen, die sich am längeren Hebel glauben. Von denen, die am längeren Hebel sitzen, weil sie die Wut der anderen verbieten. Vielleicht ist Wut die Perspektive. Die Ehrlichkeit, jeder Frau selbst die Macht zu geben, sich zu definieren, ist ein wichtiger, erster Schritt. Diesen Schritt ermöglicht die Regisseurin Jorinde Dröse.

„Die Wut die bleibt“, ist ein Roman und ein Theaterstück, das unter die Haut gehen kann. Wenn das Publikum es will. Wenn nicht, kann über das Stück geredet, diskutiert und debattiert werden. Sogar mit neuen, klugen Wörtern, die wie so oft, helfen, Tacheles zu vermeiden und konkretes Leid auf einen theoretischen Gesprächsstoff zu reduzieren.

 

Die Wut, die bleibt“ von Mareike Fallwickl

Staatstheater Hannover

 

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